– Reportage von Monika Domagala –
Die Bonner Tafel
Lebensmittel nicht wegwerfen, sondern verschenken
Die Brücke zwischen Überfluss und Mangel: Die Bonner Tafel sammelt Lebensmittel, die sonst im Müll landen würden und verteilt diese fünf Tage die Woche an Bedürftige und soziale Einrichtungen.
Schon morgens um neun Uhr geht es für die fünf Fahrerteams der Tafel in der Mackestraße los. Nach einem kurzen Blick auf die heutige Tour werden Kisten eingeladen und nach Farben sortiert. Gelb für Backwaren, grün für Obst und Gemüse, und rot für Tiefkühlware.
Heute begleite ich Christian Reiling (33 J.) und Ralf Winkel (54 J.) auf ihrer Tour und erlebe ihren Alltag als ehrenamtliche Helfer der Bonner Tafel. Zwölf Stationen stehen auf dem Plan, alle zur Abholung von Lebensmitteln, die sonst im Müll landen würden.

Zu dritt im Transporter fahren wir los und während der Fahrt erklärt mir Christian Reiling die heutige Tour. Es werden der Reihe nach verschiedene Supermärkte angefahren wie z.B. Rewe, Aldi und Lidl, aber auch so manche Bäckerei steht auf der Liste. „Ganz zum Schluss fahren wir dann wieder zur Geschäftsstelle zurück und packen das Auto nochmal voll für das Haus Sebastian und den Verein für Gefährdetenhilfe. Die gehören zu den Einrichtungen, die wir regelmäßig beliefern und heute ist Tag der Auslieferung. Danach geht’s wieder zurück zur Geschäftsstelle, das Fahrzeug reinigen, und dann ist Feierabend!“, sagt Christian Reiling ganz routiniert.
Es gibt in Deutschland über 900 Tafeln, die bundesweit über 1,5 Millionen Bedürftige Menschen regelmäßig mit Lebensmitteln versorgen. An festen Ausgabestellen werden die Lebensmittel verteilt oder an soziale Einrichtungen geliefert. Manche Tafeln bieten auch warme Mahlzeiten an, das ist von Tafel zu Tafel unterschiedlich und so ist jede Tafel individuell nach Bedarf organisiert.
Die Bonner Tafel in der Mackestraße existiert seit 1998 und hat mittlerweile über 100 ehrenamtliche Mitarbeiter, die in unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Sie helfen beim Warentransport, beim Aussortieren und Verteilen von Lebensmitteln oder der Organisation und Verwaltung der Tafel. Mit den fünf Transportern fahren die Mitarbeiter monatlich über 4000 Kilometer und beliefern damit jede Woche 20 Kinder- und Jugendeinrichtungen, vier Senioren- begegnungsstätten und weitere fünf karitative Einrichtungen. Die andere Hälfte der gesammelten Lebensmittel gehen an 680 private Haushalte, die bei der Tafel ihre Bedürftigkeit nachgewiesen haben. Somit leistet die Bonner Tafel einen wertvollen Beitrag, der kaum mehr wegzudenken ist.
Doch was sind das eigentlich für Menschen, die sich bei der Tafel ehrenamtlich engagieren?
„Ich bin jetzt seit fünf Wochen hier“, erzählt mir Christian Reiling und ich höre mir aufmerksam seine Geschichte an. Er befindet sich in einer Adaptionsmaßnahme, um nach einer medizinischen Rehabilitation wieder Fuß im Berufsleben zu fassen. „Was Gutes tun für die Menschen, dann kann man abends auch gut schlafen gehen“, sagt er – sichtlich zufrieden, Teil der Bonner Tafel zu sein.
Ralf Winkel ist nun schon seit vierzehn Jahren bei der Bonner Tafel, auch er erzählt mir seine Geschichte. Als er wegen seiner Frau berufsbedingt nach Bonn gezogen ist, hatte er erstmal Zeit, da er im Gegensatz zu ihr noch keinen Anschlussjob hatte. So rief er bei der Bonner Tafel an und fragte, ob er mitmachen könnte. Inzwischen hat er zwar wieder eine feste Stelle, doch für die Tafel fährt er immer noch. „Ich habe nur eine Teilzeitstelle, denn ich konnte das mit dem Arbeitgeber so regeln, dass ich nur vier Tage die Woche arbeite, so dass der Freitag mein freier Tag ist. Und so fahre ich halt die Tafel-Tour am Freitag“, erzählt mir Ralf Winkel mit einer Selbstverständlichkeit in der Stimme, als wäre es wirklich etwas Selbstverständliches in seiner freien Zeit etwas Gutes zu tun. Etwas Gutes für Menschen, denen es nicht so gut geht wie einem selbst und für die – ohne die Hilfe von anderen und Spenden – die Welt sogar noch ein Stück trostloser wäre.
An fünf Tagen die Woche verteilt die Bonner Tafel die Lebensmittel, die sie am Vormittag gesammelt hat. Unter den Bedürftigen sind Alleinerziehende, Hartz-4-Empfänger sowie auch ältere Menschen, bei denen die Rente einfach nicht ausreicht. Wer seine Bedürftigkeit nachweisen kann, darf die Hilfe der Tafel für einen bestimmten Zeitraum in Anspruch nehmen. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass die Hilfe der Tafel eine freiwillige Organisation ist, die sich durch Spenden finanziert und die ihre Lebensmittelverteilung je nach Größe der gesammelten Lebensmittel richtet.
Erste Station: Lidl. Wir gehen zunächst wie ganz normale Kunden durch den Vordereingang und suchen erstmal einen Mitarbeiter. „Hallo, die Tafel ist da!“, ruft Christian Weiling dem Mitarbeiter zu. „Ja, hallo. Kommen Sie mit. Wir haben Sie schon erwartet“, entgegnet ihm der Mitarbeiter und geht mit uns ins Lager, wo die aussortierten Lebensmittel schon auf uns warten. Doch was vom Supermarkt aussortiert wurde, wird von der Tafel nochmal genau inspiziert. Lebensmittel, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, Matschiges an Früchten und Gemüse oder auch Tiefkühlware, bei denen die Kühlkette unterbrochen worden ist, werden gar nicht erst mitgenommen.
Wir klappen die Kisten aus, sortieren die Lebensmittel und laden sie in den Transporter. So läuft das in jedem Supermarkt. Mal mit mehr und mal mit weniger Lebensmitteln freuen wir uns über Alles, was man anschließend noch verschenken kann, anstatt dass es im Müll landet.
Nach sechs Stunden sind wir mit unserer Tour fertig. Einsammeln, sortieren, packen, ausliefern. Es war ein guter Tag, denn wir konnten reichlich Lebensmittel vor dem Mülleimer retten und damit vielen Menschen eine Freude bereiten.
Beeindruckt von dem, was die hauptsächlich ehrenamtlichen Helfer der Tafel die ganze Woche über alles so leisten, freue ich mich, heute etwas Gutes getan zu haben…und auf die Suppe, die ich geschenkt bekommen habe.
Text: Monika Domagala
FEATURE:
Das Feature „Die Bonner Tafel. Lebensmittel nicht weggwerfen, sondern verschenken.“ lief Dank meiner Mitarbeit bei der Medienwerkstatt Bonn auch beim Bürgerfunk Radio Bonn-Rhein-Sieg. Hier zum Nachhören >>>
Zudem wurde das Feature „Die Bonner Tafel. Lebensmittel nicht weggwerfen, sondern verschenken.“ auch für den Bürgermedienpreis 2017 der LfM NRW nominiert.